Essen ist wichtig. Aber stimmt auch alles, was wir darüber wissen? In Zeiten des Internets kann sich jeder ganz einfach über seine aufgenommene Nahrung informieren. Dennoch halten sich hartnäckige Mythen, wie zum Beispiel unsere Nummer 1: Milch macht müde. Deswegen tischen wir unseren Kindern und auch uns selbst abends ein Glas warme Milch auf, um besser schlafen zu können. Aber lies selbst:
1/6 Mythos 1: Geflügel und warme Milch machen müde
Weihnachten – hochoffizielle Zeit für eine Familienzusammenkunft, üppiges Essen und auch Mittagsschläfchen. Die Weihnachtsvorbereitungen und die liebe Verwandtschaft sind anstrengend genug und deshalb belohnst du dich beim Abendessen mit einer mehr als großzügigen Portion Entenbraten. Für das darin enthaltene übermächtige Tryptophan stellt dein zart besaiteter Körper kein ernstzunehmender Gegner dar, ein derart starkes Schlafmittel, das genauso gut für die Betäubung von Wildtieren mittels Blasrohr herhalten könnte.
Tatsache ist aber…
Laut Ernährungswissenschaftlern sind Geflügelfleisch und warme Milch keine Schlafmittel. Zwar enthält Geflügelfleisch Tryptophan (aus dem das Schlafhormon Melatonin gebildet wird), die Menge ist aber viel zu gering, um deinen Wachzustand merklich zu beeinflussen. Tatsächlich ist in Geflügelfleisch genauso viel Tryptophan wie in den meisten anderen Milchprodukten, Fleisch und Nüssen – Cheddar enthält sogar mehr.
Der wahre Grund, warum du nach der letzten Runde Kuchen halb ohnmächtig auf der Couch zusammenklappst, dürfte wohl eher die Tatsache darstellen, dass du an solchen Tagen durchschnittlich 4500 Kalorien verputzt. Dein Körper leistet Schwerstarbeit, um das ganze Zeug – Fleisch, Beilagen, Kuchen und sonstige Süßigkeiten – zu verdauen, das du dir wie Spachtelmasse in eine ruinierte Trockenbauwand reingestopft hast.
Und was das Glas warme Milch angeht – auch da sind keine natürlichen Schlafmittel im Spiel. Nein, langsam eine warme Flüssigkeit zu trinken, wirkt einfach sehr beruhigend, vor allem, da du warme Milch ausgiebig in deinen ersten Lebensmonaten zu schätzen gelernt hast. Eine rein psychosomatische Reaktion, ausgelöst durch die Sehnsucht nach dieser längst vergangenen Zeit.
2/6 Mythos 2: Frische Lebensmittel sind besser als Konserven oder Tiefkühlkost
Bei dem Versuch, herauszufinden, ob dich dein Abendessen vorschnell ins Grab bringt, ordne einfach alles auf deinem Teller, angefangen ganz unten bei den stark verarbeiteten Lebensmitteln – Junkfood also – über Obst und Gemüse in Dosen sowie Tiefkühlkost bis nach oben hin zum Heiligen Gral: frische, naturbelassene Lebensmittel. Genau deswegen lugt bei den ganzen gesunden Leuten das Grün aus ihrem Einkaufskorb – selbstverständlich machen sie auch beim Gemüse keine Kompromisse und essen irgendwelchen gefrierverbrannten Mist.
Tatsache ist aber…
Solange du nicht von Bauernhöfen umzingelt bist, deren Produkte du im hofeigenen Laden kaufen kannst, werden die Lebensmittel höchstwahrscheinlich einen weiten Weg zu dir gehabt haben. Von dem Moment an, an dem der Brokkoli gepflückt wird, verliert er auf seiner langen Reise ins Gemüseregal unwiderruflich seine Frische und damit auch Nährstoffe.
Daher sind Tiefkühlprodukte – was ihren Vitamingehalt angeht – frischen Lebensmitteln durchaus überlegen. Sofort nach dem Pflücken werden sie schockgefrostet, verlieren also weniger Nährstoffe zwischen Ernte und Verzehr. Das gilt auch für manches Konservengemüse: Dosentomaten zum Beispiel enthalten mehr von dem Antik-Krebs-Nährstoff Lycopin als ihre (vermeintlich) frischen Schwestern und zwar bedingt durch das Haltbarmachen.
3/6 Mythos 3: Braune Eier sind gesünder als weiße
Eier fallen grob gesagt in zwei Gruppen: billige, in riesigen Hühnerfarmen produzierte weiße Eier und teurere, naturbelassene braune Eier. Natürlich, die Eier von freilaufenden Hühnern in der Öko-Verpackung sind ein bisschen teurer, aber dafür enthält ihr dunkleres Eigelb auch viel mehr von den wertvollen Nährstoffen.
Tatsache ist aber…
Letztendlich gibt es zwischen den Eiern, egal ob braun oder weiß, keinen Unterschied. Vielmehr hängt die Farbe der Eierschale von der Rasse des Huhns ab, das das Ei legt. Die Unterscheidung ist also lediglich kosmetisch – Geschmack und Nährstoffgehalt von weißen und braunen Eier sind gleich.
Warum also sind braune Eier – zumindest in der Produktion – teurer? Nun, Hühner, die braune Eier legen, legen meist auch größere, weswegen sie auch mehr fressen als Hühner, die weiße Eier legen. Und ob helles oder dunkles Eigelb – die Fett- und Proteinmenge bleibt gleich. Für die charakteristische orange Farbe des Eigelbs ist unter anderem das Chlorophyll Xanthophyll verantwortlich und davon nehmen freilaufende Hühner mehr auf. Ein Huhn in Freilandhaltung ist ziemlich wahrscheinlich ein sehr viel glücklicheres Huhn, aber das bedeutet noch lange nicht, dass seine Eier dich schneller in Form bringen als die seiner Artgenossen in viel zu engen Legebatterien.
4/6 Mythos 4: Es gibt Nahrungsmittel, die Kalorien verbrennen
Vermutlich bist du im Internet bereits über unzählige Berichte gestolpert, in denen magische, mit negativen Kalorien gefüllte Nahrungsmittel angepriesen werden – Nahrungsmittel, die so wenig Kalorien enthalten, dass für ihre Verdauung mehr Kalorien verbraucht werden als sie überhaupt enthalten. Man nimmt also beim Essen ab!
Doch damit nicht genug – auch findest du Nahrungsmittel, die Fett sogar verbrennen (manche stürzen sich speziell auf das Bauchfett). Nicht zu vergessen die Grapefruit-Diät mit ihren Fett-mordenden Enzymen. Und dann gibt es noch zahlreiche Diäten, bei denen scharfe Lebensmittel das Fett verbrennen, indem sie irgendwie den Stoffwechsel ankurbeln.
Tatsache ist aber…
Um es kurz zu sagen: Eine Diät, bei der mehr Kalorien verbrannt werden als du zu dir nimmst, gibt es nicht. Es gibt nur Diäten, die deinen Körper schädigen können und ihn auf diese Weise dazu bringen, an Gewicht zu verlieren.
Meist handelt es sich bei den Nahrungsmitteln, denen negative Kalorien nachgesagt werden, um Früchte oder Gemüse. Und wer sich ausschließlich davon ernährt, sollte bedenken, dass sie nicht alle notwendigen Nährstoffe enthalten. Der größte Gewichtsverlust stammt vom Wasser, das bei so einer Diät verloren geht und kommt sofort zurück, sobald du dich wieder vernünftig ernährst.
Und nein, kein Nahrungsmittel kann einfach Fett wegschmelzen. Die Fettreserven werden angezapft, wenn du deine Kalorienaufnahme reduzierst, aber nicht, weil scharfe oder saure Nahrungsmittel hinein krabbeln und sie zum schmelzen bringen. Tatsächlich verlangsamt Capsaicin – die chemische Substanz, die Chilischoten ihre Schärfe verleiht – deine Essgeschwindigkeit, weil – du ahnst es sicherlich schon – es deine verfluchte Zunge verbrennt.
Der einzige Grund, warum du durch sogenannte fettschmelzende Lebensmittel abnimmst, ist, dass die Diät viel weniger Kalorien vorsieht, als du normalerweise isst. Die fettverbrennenden Nahrungsergänzungsmittel in der Quacksalber-Abteilung deines Supermarktes oder deiner Apotheke arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Du verlierst Gewicht, weil du hungerst und das einzig Magische an diesen magischen Lebensmitteln ist, dass du dich mit ihrer Hilfe selbst überlistest.
5/6 Mythos 5: Dein Heißhunger zeigt dir, welche Nährstoffe deinem Körper fehlen
Wenn Frauen während ihrer Periode nach blutigem Rindersteak gieren, muss es ein Zeichen dafür sein, dass sie das verlorene Eisen ersetzen wollen. Jemand mit Heißhunger auf Schokolade – es muss bedeuten, dass in seiner überwiegend aus Fleisch und Kartoffeln bestehenden Ernährung Magnesium fehlt. Heißhunger ist die Sprache unseres Körpers, der uns so mitteilt, was genau er braucht – wenn wir ihm nur richtig zuhören würden.
Tatsache ist aber…
Der durchschnittliche westliche Ernährungsstil deckt den Großteil des Bedarfs an Nährstoffen ab. Wenn ein Nährstoffmangel wirklich die Ursache für Heißhunger wäre, würden wir alle nach Mangold für sein Vitamin A lechzen und uns um Rote Beete und ihre reichlich enthaltene Folsäure regelrecht prügeln. Grünkohl und Rosinen enthalten sehr viel Eisen, aber selten siehst du Frauen, die sich an Blattsalaten satt schlemmen und kein Ende finden.
Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel ist viel eher eine kulturelle Sache und abhängig davon, wie unser Essverhalten schon seit der Kindheit geprägt wurde. In stressigen Zeiten sehnst du dich nach Nahrungsmitteln, die du als tröstend und belohnend empfindest. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Hormone einen direkten Einfluss auf derartige Gelüste haben – vielmehr tritt Heißhunger einfach in stressigen Zeiten zutage. Je häufiger und länger diese Essanfälle auftreten, desto stärker verbindest du bestimmte Nahrungsmittel mit Stress und Niedergeschlagenheit, genauso wie du sie gleichzeitig als tröstend und belohnend wahrnimmst. Es ist also nicht dein Körper, der dir sagt, was du brauchst, sondern viel mehr du selbst redest dir ein, dass du etwas unbedingt brauchst.
6/6 Mythos 6: Rausch ist nicht gleich Rausch, sondern abhängig vom alkoholischen Getränk
Für einen lustigen, euphorischen Rausch nach dem gewonnenen Fußballspiel deiner Lieblingsmannschaft solltest du zum Bier greifen. Um melancholische Geschichten zu erzählen und für intellektuelle Debatten muss es Gin sein. Wenn es dein einziger Abend ausnahmsweise ohne die Kinder ist und du Lust auf was Ausgefallenes hast, bestell einen Rotwein. Und wenn du dein ganzes Leben vor die Wand fahren willst, trink auf Fälle Whiskey oder Tequila. Ehe du dich versiehst, findest du in einer handfesten Prügelei mit wildfremden Menschen wieder.
Tatsache ist aber…
Entscheidend dafür, ob und wie ein alkoholisches Getränk berauscht, ist einzig und allein sein Ethanol-Gehalt. Jeder Unterschied in der Wirkung von Alkohol lässt sich darauf zurückführen, wie häufig und welche Menge davon getrunken wurde.
Nicht das alkoholische Getränk selbst beeinflusst also den Rausch, sondern es sind unsere damit verbundenen persönlichen Erfahrungen, Erinnerungen und Emotionen, weshalb wir den Genuss von Wodka, Gin, Wein und Bier unterschiedlich erleben.
Natürlich, Shots sind schneller heruntergekippt als ein Bier. Und der gleiche Shot diesmal on the rocks, verwässert durch die schmelzenden Eiswürfel und zudem eiskalt, trinkt sich deutlich langsamer. Auf diese Weise wirst du am Ende der Nacht möglicherweise weniger Alkohol getrunken haben bezogen auf das Volumen und nur darauf kommt es an.